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Der Gast aus Italien

 

Es ist wirklich schade, daß sich keine Geschäftsbücher des Gasthauses überliefert haben, so daß wir die Leute kennenlernen könnten, die hier wohnten bzw. übernachteten. Wenige sind aus anderen Quellen bekannt. Einer von ihnen mit Namen Peter Pia, ein fahrender Händler aus dem italienischen Forno, wohnte hier im Juli 1821. Das wissen wir aber auch nur, weil er am 26. Juni dieses Jahre "in der Behaußung des Gastwirthshaußes zum Engel in St. Wendel" gestorben ist. Den Vorschriften des Code Civil folgend wurde nur wenige Tage später durch einen anderen Händler namens Thomas Laeroich, Galanteriehändler von Muissi-la-ville im Luxemburgischen, ein vollständiges Inventar seines nachgelassenen Vermögens angefertigt. Dieses Verfahren diente in erster Linie dem Schutz der Rechte der minderjährigen Kinder des Verstorbenen. Das war übliche Praxis, es ist nicht unbedingt als Mißtrauen gegenüber dem hinterbliebenen Elternteil zu werten. Pias Erben waren seine in Formo in Italien wohnende Witwe Maria Apollonia Maranca und seine dreizehnjährige, also nicht minderjährige Tochter Maria Ursula.

 

Das altmodische und heute längst aus der Mode gekommene Wort "Galanteriewaren" (der Begriff wurde vom französischen "galenterie", zu Deutsch: ?Liebenswürdigkeit?, abgeleitet) steht für modische Accessoires. Zu den Galanteriewaren zählen Modeschmuck und kleinere dazu passende Gebrauchsgegenstände wie Parfümfläschchen, Puderdosen, auffällige Knöpfe, Armbänder, Schnallen, Tücher, Schals, Bänder, Fächer und ähnlichem. Und genau diese Sachen finden sich auch in der Liste, die der obengenannte Thomas Laeroich in St. Wendel im goldenen Engel aufstellte. Holz und Porcellain Pfeiffenköpfe, Messer und Federmesser, eine Schere, Handspiegel, 12 Fläschchen wohlriechende Wasser, sechs Gläser Eau de Cologne, vier Steinschreibtafeln, fünf Brillenfuterale, zwei Kleiderbürsten, lederne Trinkbecher, aber auch richtig teure Dinge wie z.B. 40 Ohrringe, Uhrgehänge und Ringe "in 18 Karathigem Gold". Diese Waren führte der verstorbene Händler Pia in drei großen Kisten mit Schubladen mit sich. Fast schon befremdlich wirkt dagegen seine sonstige Aufmachung: Ein alter Rock, ein paar alte Hosen, ein paar Stiefel, ein alter Hut, ein paar alte Strümpfe, im Gesamtwert von zwei Gulden, wohingegen die Kisten leer mit 10 Gulden und die Waren zusammen mit 699 Gulden 34 Kreuzer bewertet wurden. Die Kisten hatten sicher ein ordentliches Gewicht, so daß man sich fragen muß, wie er sie die weitere Strecke von Italien hierher geschafft hat, noch dazu, daß St. Wendel nicht seine einzige Station gewesen sein dürfte.

 

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