Schriftzug

Restitution - Wiedergutmachung

 

Auch in Frankreich waren die Steins vor den Nazis nicht sicher. Als der Krieg ausbrach, zog sie nach Troyes um. Als im Mai 1940 die deutschen Truppen auf dem Vormarsch war, setzte sich sich nach Brive, Corrèze, ab, wo sie bis Frühjahr 1942 in Frieden leben konnte. Ab diesem Zeitpunkt mußten Ausländer und Staatenlosen die Stadt verlassen. Frau Stein wurde im 20 Kilometer entfernten Dorf Allassac in einem privaten Wohnhaus quasi ?interniert? (?rèsidence forcée?), wo sie bis zur Befreiung des Departements Mitte August 1944 bleiben mußte. Erst Anfang August 1945 konnte sie wieder nach Strassburg zurück.

 

Im Jahre 1947 wurde in Deutschland die sog. Restitutionsverordnung verabschiedet. Darin war geregelt, unter welchen Umständen den Verfolgten des Nazi-Regimes Wiedergutmachungen zustanden. Dies bezog sich vor allem auf Kaufverträge, die unter Ausnutzung der Notlage der Betroffenen entstanden waren. Ein erfolgreicher Verfechter dieser Verfahren war der Saarbrücker Rechtsanwalt Charles Levy. An ihn wandten sich im Frühjahr 1948 die Witwe Stein und ihr Sohn Rudolf, der mittlerweile Notar in Saarbrücken geworden war. Beklagter war das Ehepaar Fichtenmayer; Levy forderte die Rückgabe des Hauses an die Witwe Stein. Der Streit wurde erbittert geführt. Während Fichtenmayers Rechtsanwalt Dr. Strauß aus St. Wendel argumentierte, daß die Steins das Haus freiwillig verkauft hätten, da sie sich 1936 schon zwei Jahre in Frankreich aufhielten und damit ?ein Zwang auf sie nicht mehr ausgeübt werden konnte?. Levys Argumentation ging anders: ?Bei dem Zwang kommt es nur darauf an, ob eine solche Situation bestand, die dem Veräusserer berechtigten Anlass gab, Furcht zu haben und ob diese Furcht ihn veranlasst hat, einen Entschluß zu fassen, den er sonst nicht gefasst hätte. Es liegt immer auch beim Zwang ein freier Entschluß vor. Nur ist dieser Entschluß durch Furchtmomente bestimmt und daher im Sinne der Rechtsordnung anfechtbar, weil eben nicht eine unbeeinflußte vollkommen freie Willensentschließung gefasst werden konnte.? Beider Argumente sind nachvollziehbar, und darin liegt das Problem, sie zu bewerten. Als Informationsquelle über den gesamten Vorgang sind sie unbezahlbar.

 

Am Schluß einigte man sich auf einen Vergleich. Am 27. September 1949 räumten die Beklagten bei der nichtöffentlichen Sitzung der Restitutions-Kammer des Landgerichts Saarbrücken den Klägern ein Miteigentum am Haus von 50 Prozent ein. Dabei erklärte die Klägerin, daß sie den Beklagten ein unlauteres Verhalten bei Erwerb des Grundstückes nicht vorwerfen kann.

 

Doch wollten weder die Familie Stein nach St. Wendel noch die Fichtenmayers das Haus weiter behalten.

 

Im Herbst 1934 hatte Albert Stein mit dem Kaufmann Jakob Fremgen aus dem pfälzischen Steinwenden und seiner Ehefrau Elisabeth Finser, die aus Friedrichsthal nach St. Wendel gezogen waren, einen Mietvertrag über das Haus abgeschlossen, der nach dem Verkauf 1936 auf Dr. Fichtenmayer überging. Fremgen, der wie Altmeyer, Stein und Jakob zuvor, Kurz-, Woll- und Weisswaren selbst anfertigte und vertrieb ("Manufaktur"), nannte seine Firma "Jakob Fremgen vorm(als) Altmeyer".

 

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