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Der Fliegerangriff vom 18. März 1945

 

Am 18. März 1945, am Tag, bevor die Amerikaner in St. Wendel einmarschierten, wurde das Haus getroffen. Dabei wurden die 34jährige Theresia Rein, die Ehefrau von Aloysius Wagner, der im angebauten Nachbarhaus "Luisenstraße 49" sein Schuhgeschäft betrieb, und ihre Mutter Katharina Rein geb. Peter getötet. Josef Bähr, Revier-Oberwachtmeister der St. Wendeler Schutzpolizei, gab fünf Wochen später zu Protokoll, daß nach vier-wöchentlichem Suchen erst jetzt menschliche Überreste in den Schuttmassen im Schuhhaus Wagner gefunden worden seien. Nach Aussage einer Nachbarin aus Brühlstraße 4 habe diese sich am 18. März noch kurz zuvor mit den beiden Frauen vor dem Eingang in die Privatwohnung in der Brühlstraße unterhalten. Gegen 15.20 Uhr seien die beiden Frauen ins Haus gegangen, und kurz darauf kam die Explosion. Bis heute geht man von einem Fliegerangriff aus; Augenzeugen haben von Jagdbombern ? also einmotorigen Jagdflugzeugen, die zusätzlich mit einer oder mehreren kleinen Bomben unter den Tragflächen ausgerüstet waren ? über St. Wendel berichtet. In der Mott, also ganz in der Nähe, soll ? ebenfalls an diesem Nachmittag ? ein junges Mädchen durch Bordbeschuß schwer verletzt worden sein.

 

Die amerikanischen Einsatzberichte des XIX Tacticel Air Command ? es gab keine englischen Flieger über St. Wendel ? melden, daß am 18. März 56 Jagdmaschinen vom Typ P-47 Thunderbolt im Großraum um St. Wendel im Einsatz waren. Ihr Hauptziel war Matzenbach südöstlich von Kusel; dort wurde die Eisenbahnlinie bombardiert. Für St. Wendel wurden keine Bombenabwürfe, gleichwohl die Zerstörung von Gebäuden gemeldet.

 

Entgegen der gängigen Meinung über den Einsatz der Bomben und anderer Waffen durch die Flugzeugbesatzungen im Zweiten Weltkrieg, daß diese bei Jagdbombern wahllos ? also eher zufällig ? eingesetzt wurden, warf man Bomben nur, wenn sich das Ziel auch "lohnte". Für alles andere gab es Bordwaffenbeschuß, der ? wenn man den vorhandenen Filmaufnahmen folgen darf ? meist sehr effizient, d.h. zerstörerisch, war.

 

Warum fiel dann auf St. Wendel an diesem Tag nur diese eine Bombe? Nur eine Bombe, das ist korrekt, aber es gab an diesem Nachmittag noch weitere Explosionen in der Stadtmitte. Westlich der Stadt ? nur ein paar Kilometer entfernt ? standen Einheiten der 10. amerikanischen Panzerdivision, die in zwei großen Kolonnen auf St. Wendel zurückten ? die eine über Tholey-Alsweiler-Winterbach, die andere über Selbach-Gronig-Oberthal-Bliesen. St. Wendel wäre schon an diesem Sonntag gefallen, wenn nicht eine deutsche Einheit auf dem Rückzug nahe der Rassiersmühle vor Bliesen in Stellung gegangen wäre und von dort die amerikanische Speerspitze, die sich ihren Weg aus Bliesen heraustastete, so wirksam unter Feuer nahm, daß diese sich zurückziehen und einen Weg um St. Wendel herum suchen mußte. Sie zogen nachts über Oberthal und Güdesweiler nach Namborn und umgingen St. Wendel in einem großen Bogen. Da sie aber annehmen mußten, daß St. Wendel stark verteidigt würde, bauten sie ihre schweren Panzerhaubitzen in der Bliesener Feldstraße auf ? und feuerten auf die Stadt, die hinter den Hügeln verborgen lag. Natürlich war dieses Feuer mehr oder minder ungelenkt. Eine Granate landete unter dem Fenster des katholischen Pfarrhauses, wo sich der Pfarrer und Gäste gerade zum Nachmittagskaffee niederlassen wollten. Daraus können wir ungefähr die Zeit festmachen, zu der dieser Beschuß stattfand: etwa 15 Uhr. Eine weitere Granate schlug im Kapellenweg ein, eine dritte in der Nähe des Schloßplatzes. Ein amerikanischer Kameramann hat die Haubitzen in Bliesen beim Schießen gefilmt ? dort wurden mehr als nur drei Schuß abgegeben. Und das dauerte auch länger als nur ein paar Minuten.

 

Vielleicht war die "Fliegerbombe", die im Schuhhaus Wagner einschlug, eine dieser Granaten. Das würde jedenfalls die Zufälligkeit des Ziels erklären.

 

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