Am Sonntag, 26. Mai 2020, habe ich eine "Geisterführung" durch den Dom zu St. Wendel durchgeführt, gefilmt und produziert von wndn.de.
Zum Hintergrund.
Von Juni 2019 bis Sommer 2020 nahm ich an einer Maßnahme der ev. Rheinischen Landeskirche teil, die nennt sich „Kirchen erzählen vom Glauben“. Im Februar war der letzte Unterrichtstag, dann begannen die Probeführungen. Ich wäre am Samstag, 25. April, in St. Wendel mit der Basilika an der Reihe gewesen, aber die Planung geschah in prae-coronarer Zeit. Und so wie es aussieht, ist in nächster Zeit nichts mehr mit Führungen egal wo - und auch nicht in St. Wendel. Also kam die Gruppenleitung auf die Idee, eine Führung online durchzuführen. Wie genau, das überließ man unserer Phantasie. Ich merkte schnell, daß es keine Online-Führung, sondern analog der Geisterspiele im Fußball eher eine Geisterführung sein müßte - ich rede und zeige, und jemand nimmt das auf. Meine Frau Anne hatte die Idee, bei wndn.de nachzufragen, ob man dort interessiert sei. Oh, man war, und so verabredete ich mich mit Frau Lena Holzer für heute, Sonntag, 26.04.2020, um halb zwölf für eine Führung um und durch den St. Wendeler Dom. Vorab mein Dank an meine Kollegen vom Kirchenführerkurs unter der Leitung von Pfarrerin Margit Büttner und Dr. Claudia Schittek, Pfarrer Klaus Leist für die Erlaubnis, in der Kirche drehen zu dürfen, Lena Holzer von wndn.de für die spontane Bereitschaft und die technische Umsetzung, meiner Frau Anne für ihre tollen Ideen in der Vorbereitung und dem hl. Wendelin für das prachtvolle Wetter heute morgen. Mit freundlichen Grüßen Roland Geiger Geisterführung (= Kirchenführung ohne Publikum) am Sonntag, 26.04.2020 Ort: Wendalinusbasilika, St. Wendel Ausführende: Führung, Script, Nummerngirl: Roland Geiger Kamera, Ton, Bearbeitung, Regie: Lena Holzer, St. Wendeler Land Nachrichten, wndn.de Ausstrahlung ausschließlich über die facebook-Seite von wndn.de.
Vorgedanken: Ich hatte mir nicht wirklich viele Vorgedanken gemacht, sondern bin der Meinung gewesen, ich könnte die Führung mit der Kamera so durchführen wie die „normale“ mit leiblichen Besuchern. Ins Grübeln kam ich, als Claudia Schitteck in unserer Runde die potentielle Länge der Führung bemängelte. Nun bin ich kein Fan des Zeitungsverlegers Pulitzer (Zitat: „Schreibe kurz – und sie werden es lesen. Schreibe klar – und sie werden es verstehen. Schreibe bildhaft – und sie werden es im Gedächtnis behalten.“), jedenfalls, was das erste Axiom angeht.
Weniger ist m.E. nicht mehr, sondern halt weniger. Sachverhalte kürzen, heißt, sie ungenau wiedergeben. Mir ist klar, daß ungenau und oberflächlich heute „in“ sind, aber so arbeite ich nicht. Mir ist auch klar, daß ich als Fremdenführer in erster Linie ein Unterhalter bin - wurscht, ob ich durch die Stadt oder nur durch den Dom führe. Wenn ich die Leute zum Lachen kriege, merken sie nicht, wie lange sie unterwegs sind (funktioniert fast immer). Daß die meisten Leute das Wenigste davon sich merken, ist auch nicht tragisch, solange sie gut unterhalten wurden. Ggf. hören sie irgendwo anders noch mal dasselbe, da wird es bei dem ein oder anderen „klick“ machen, „Moment mal, das habe ich doch schon mal gehört oder gesehen.“
Ins Grübeln kam ich, als mir klar wurde, daß mein Publikum nicht leiblich da war, sondern mich erst mit zeitlicher Verzögerung wahrnehmen würde - und ohne Möglichkeit einer Rückfrage.
Die Idee, die Führung auf 15 min zusammenzufassen, verwarf ich, weil ich das aus geschilderten Gründen nicht mag. In 15 min durch den Dom, das ist nix halbes und nix Ganzes. Statt dessen baute ich die Filmklappe ein, wie man sie von Dreharbeiten-Dokus kennt. In Ermangelung einer solchen kam meine Frau auf die Idee, ein uraltes Waschbrett, das wir mal auf dem Flohmarkt gekauft hatten, und einfache Kreide zu verwenden. Dann stellte ich das folgende Konzept zusammen, das die Führung in zwölf Teile zerbrach. Bei Beginn eines jeden Teils würde ich das Waschbrett mit der jeweiligen Nummer hochhalten, so daß der Zuschauer ggf. bei einer Station ab- oder unterbrechen und später weitermachen könnte, wenn er will.
Die einzelnen Teile sind mehr oder minder autark, wobei es sinnvoll ist, sie sequenziell zu schauen, weil doch das eine auf dem anderen aufbaut. Zusammen gehören Klappen 2-3 sowie teilweise 6-8-10. Das schwerste Kapitel ist Klappe 6 - und ich befürchte, auch das am wenigsten gelungene, denn da geht es schon sehr ins Eingemachte. Da ist Konzentration gefordert, und der Zuschauer hat dann schon einiges hinter sich. Andererseits gehört es mit zu den interessantesten Themen in der Kirche überhaupt - so etwas wie das Cusanische Wappenensemble gibt es in keiner anderen Kirche auf der Welt: Politische Bildung im ausgehenden Mittelalter. Bei der Führung mit Publikum lasse ich sie meistens weg. Außer wenn jemand danach fragt …
Frau Holzer hat das fehlende Publikum mehr als wettgemacht. Sie filmte mit ihrem Handy, das sie in einem Handkamerastabilisator (bitte googlen) befestigt hatte. An diesem saß auch das Mikrofon. Mit den Bedienelementen dieser Einrichtung kann sie das Handy = die Kamera in verschiedenen Richtungen bewegen, ohne ihre Grundposition zu verändern. Feine Sache, wenn’s z.B. senkrecht nach oben geht. Das Ding ist nicht wirklich groß, und so konnte ich durch die Konstruktion hindurch ihr Gesicht sehen - und sie lachte resp. schmunzelte, wenn sie das sollte. So kam doch etwas Feedback wieder zurück.
Das Handy funktionerte als Camera sehr gut, hat aber manche Probleme bei wechselnden oder schwierigen Lichtverhältnissen. Deshalb ließen wir die vorgesehenen Aufnahmen in der Kammer vorm Hauptportal sein, weils dort zu dunkel gewesen wäre (gestrichen in Klappe 6).
Mit dem Ton klappte das gut, wenn ich genau draufgucke. Drehe ich mich mit dem Kopf weg, um was zu zeigen, wird’s ein wenig leiser. Bei der „üblichen“ Führung kommt wegen Zeitdrucks nicht zur Sprache.
=> Klappe 1 Begrüßung vorm Dom
=> Klappe 2 vor der Eisdiele - Tür im 1. Stock: 1710 - nicht mehr vorhandene Treppe - tiefergelegter Boden - Friedhof um die Kirche
=> Klappe 3 Südseite der Kirche - Appolonia Printemps - Steinhauer Johann Nikolaus Lenz - Zahlen und Buchstaben - die Frau auf dem Grab.
=> Klappe 4 Nordostseite der Kirche - Peststein - Übersetzung - Chronogram - Bogen in der Wand Eingang - Beim Eintritt in dies Gotteshaus, die Herrn ziehn alle Hüte aus [Wir betreten die Kirche und gehen durch den Chor und das Schiff in die Südwestecke]
=> Klappe 5 zwei Einzelstücke - Martin und von Hame Südwestecke - Martinsrelief - die Figuren des Reliefs - warum Martin den Mantel durchschneiden muß am Haupteingang - Familie Schrotig - lateinischer Text und Bedeutung
=> Klappe 6 zwei Einzelstücke - Taufkapelle und Haupteingang die ehem. Taufkapelle in der Nordwestecke - die Engel an der Wand - der Baumeister - Josef - die häßlichen Heiligen - der ehemalige Eingang Haupteingang - die Baumeister - Bruder Tuck ist Wendelin - die Amtmänner an der Wand
=> Klappe 7 vorm Haupteingang mit dem Blick Richtung Chor - warum der Dom kein Dom und doch ein Dom ist - warum die Basilika keine Basilika und doch eine Basilika ist
=> Klappe 8 mitten im Schiff vor der Kanzel - Schallöcher in der Decke - Umbau der Kirche - die Kanzel des Cusanus
=> Klappe 9 mitten im Schiff an der Kanzel - das Heilige Römische Reich Deutscher Nation - Kaiser, Kurfürsten und Amtmänner - Papst, Bischof und Priester - Besonderheit Cusanus - die Wappen an der Decke
=> Klappe 10 im Chor - die Tumba
=> Klappe 11 - der Altar und die Wendelslegende - Reliquie und Knochen unter dem Grab - wie die Kirche funktoniert
=> Klappe 12 Grablegungsgruppe - wer das ist und was das ist - Kopfbedeckungen für Männer und Frauen - der Bogen in der Wand = die Tür für den Pfarrer - 1487 vorm Altar - Kirchenmäuse - Abgang
Ergebenst
Roland Geiger, St. Wendel.