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Der heilige Wendalinus reist nach Amerika

Vorwort

Mein Hauptgebiet in puncto „Auswandererforschung“ ist die Auswanderung in die USA im 18ten und 19ten Jahrhundert in den Bundesstaat New York (wolhlgemerkt: in den Bundesstaat, nicht die Stadt).

Anlaß war ein Besuch von Joe Resch aus Washington, D.C., der 1996 nach Spuren der Familie Familie Altmeyer in Alsfassen fragte. Er stammt aus Dansville im Bundesstaat New York und brachte mich auf die richtige Spur. Ein Jahr später besuchten wir u.a. seinen Vater Joseph Resch senior senior in Rochester. Der fuhr mit uns nach Dansville, wo wir in den Büchern der Pfarrei St. Mary’s auf den Eintrag „Nicolas Lauterborn ex Alsfas, Prussia“ stießen.

Im Jahre 2001 kamen wir dann zum ersten Mal nach Perkinsville, fünf Kilometer östlich von Dansville. In der Pfarrkirche „Sacred Heart“ fiel uns im an einem Altar ein großes goldenes Kreuz auf. Dort saß hinter Glas ein winziges Stückchen Knochen. Und darunter stand „St. Wendelin“. Mir blieb die Spucke weg. Wer das ist, habe ich gefragt, und die Antwort war Schulterzucken.

Ein paar Jahre später habe ich in Ebay eine Art Abzeichen erworben, auf dem „St. Wendelinus Maenner Verein in Perkinsville N.Y.“ zu lesen ist.

Mit diesem Verein beginnt unsere Geschichte.

Auswanderung nach Amerika

Viele Menschen, die im frühen 19. Jahrhunderts aus St. Wendel nach Nordamerika auswanderten, ließen sich im nordöstlichen Teil des Bundesstaates New York nieder. Deshalb finden sich heute noch Namen wie Schubmehl, Kornbrust, Rauber, Schwingel und Engel in den Orten Dansville, Perkinsville und Wayland. Diese liegen etwa eine Autostunde südlich von Rochester, NY.

Der erste Teil ihrer Reise führte die Auswanderer von zu einem der Seehäfen: Hamburg, Bremen oder LeHavre in Frankreich. Nach wochen-, oft monatelanger und nicht selten gefährlicher Seereise gelangten sie im Hafen von New York City an. Von dort brachte sie ein Dampfer den Hudson River hinauf bis nach Albany brachte. Vor 1825 ging es ab Albany nur zu Fuß oder per Planwagen weiter, aber dann wurde der Erie-Kanal fertiggestellt, der den Hudson mit dem 600 km entfernten Buffalo am Erie-See verbindet. Schon im ersten Jahr wurde der Kanal von 40.000 Siedlern befahren.

Am Sonntag, 1. Juni 1902, trafen sich Dansville Delegationen der katholischen Vereine mit Mitgliedern fast ausschließlich aus deutschen Einwanderern der ersten und zweiten Generation. Im Hochamt morgens um halb elf in "St. Mary's". hielt Father Aloysius Huber seine Predigt - natürlich in Deutsch. Dann gab es eine prächtige Parade, deren Abschluß die "St. Wendalinus Society" aus Perkinsville bildete.

Da ist dieser „Verein des hl. Wendalinus“ aus Perkinsville.

Wie Perkinsville entstand

Die Ursprünge dieser Siedlung liegen im 18. Jahrhundert. Damals gehörte das Gebiet dem Indianerstamm der Seneca („Irokesen"). Aus "weißer" Sicht gehörte das Territorium dem britischen König. Der hatte es 1663 seinem Sohn, dem Duke of York, geschenkt, von dem die Handelsgesellschaft Massachusetts Bay Company 1691 einen Teil erwarb. Aus dem Gebiet des Herzogs von York wurde der Bundesstaat "New York" und aus dem Gebiet der Handelsgesellschaft "Massachusetts".

Der Namensgeber der Siedlung war ein Kaufmann namens Benjamin Perkins, der sich mit seiner Ehefrau Lydia hier niederließ und eine Sägemühle errichtete. So hieß der Ort auch zunächst: "Saw Mill". Spätere Bezeichnungen waren das wenig schmeichelhafte "Red Tavern" (rote Kneipe), dann Portway und schließlich Perkinsville.

1823 wanderte John Brail aus Pennsylvania ein und kaufte Land auf einem südlich gelegenen Höhenrücken, dem "Sandy Hill" („sandiger Hügel"). Er war der erste Siedler dort oben; im Herbst 1817 folgten ihm seine Frau und die sieben Kinder in das neue Heim, eine Blockhütte auf Sandy Hill. Schon im nächsten Jahr ließen sich weitere Siedler hier nieder. 1824 wurde ein Schulhaus errichtet; der Lehrer, ein Mr. Brockway, erhielt 18 Dollar im Monat und erhielt seinen Lohn als Naturalien - in Form von Bauholz.

1834 erreichte die deutsche Einwanderung im nördlichen Teil von Steuben County, zu dem Perkinsville und Sandy Hill gehörten, ihren ersten Höhepunkt. Die Brails waren in ein moderneres Haus umgezogen. Die alte Blockhütte diente als zeitweise Unterkunft für Neuankömmlinge. Eine Kirche gab es noch nicht und auch keinen Pfarrer; der Gottesdienst wurde von Priestern aus Rochester im Wohnhaus von T.B. Froehlinger gehalten, dem Schwiegervater von John Friedrich aus Urweiler.

Cholera auf dem Sandhügel

Im gleichen Jahr brach das Unheil über die Siedlung herein. Im August fuhr John Brail nach Buffalo, um vier deutsche Auswandererfamilien auf den Hügel zu bringen. Sie waren über den Erie-Kanal angereist, und einer starb auf dem Boot an der Cholera. Statt die Kleider zu verbrennen, verpackte man sie in eine Kiste, um sie bei Gelegenheit zu waschen. Mrs. Brail half den Neuankömmlingen bei der Wäsche. Unter den Kleidungsstücken waren auch die choleraverseuchten aus der Kiste. Mrs. Brail erkrankte noch am gleichen Abend und starb am nächsten Tag - es war Mittwoch, der 24. August 1834. Die Diagnose der Ärzte aus Dansville: schwerer Fall von Cholera.

Am Samstag erkrankten die beiden Töchter von Mr. Brail. Eine starb sechs Stunden später, die andere überlebte. Die Ärzte wußten jetzt sicher, daß es sich um die Cholera handelte, und versuchten, die Seuche einzudämmen. Einige Nachbarn legten ihr Leben in Gottes Hand, begruben die Toten und kümmerten sich um die Kranken. Die meisten von ihnen wurden für ihre Menschlichkeit und Tapferkeit schlecht belohnt - sie steckten sich an. Brails Sohn George wurde das dritte Opfer, er starb zwei Tage nach seiner Schwester. Das alte Schulhaus wurde zur Schreinerei, in der Särge angefertigt wurden. In der Siedlung brach Panik aus und griff auf die anderen Siedlungen im Umkreis über. Eine Gruppe von Männern bezog Posten, um den Zugang vom und zum Sandy Hill zu verhindern; es war eine undankbare Aufgabe, aber notwendig. Innerhalb von zwölf Tagen waren fast zwei Drittel der Auswanderer im alten Blockhaus tot, darunter eine Frau und sechs ihrer Kinder. Die restlichen Kranken wurden auf Tragbahren in Hütten im Wald verlegt.

Am 22. September wurde das letzte der Opfer, Rebecca Decker, beerdigt. Die genaue Zahl der Toten ist nicht überliefert. Die Seuche war so schlimm, daß die wenigen überlebenden Kranken noch lange psychische Auswirkungen zeigten und ihre Gesundheit auf immer angegriffen war. Nur ihr strenger religiöser Glaube verhinderte, daß sie aufgaben.

Die Kirche auf Sandy Hill

Am 24. Juli 1838 kaufte eine Gruppe deutscher Siedler für 2,50 Dollar ein 40 ha großes Stück Land auf dem Hügel. Als Käufer unterschrieben Georg Gross senior und junior, Vater und Sohn, beide aus Remmesweiler. Dort wurde die erste Kirche vollständig aus Holz auf dem Sandy Hill errichtet.

Es war wohl damals nicht unüblich, daß eine Kirche erst Jahre nach der Erbauung eingesegnet wurde: die Kirche auf Sandy Hill wurde erst am 2. Oktober 1844 auf den Namen "Church of the Blessed Virgin Mary of the Most Holy Rosary" (Kirche der gnadenreichen Jungfrau Maria des Allerheiligsten Rosenkranzes) geweiht. Das zuständige Bistum war Rochester, ab 1847 Buffalo.

Sie wurde zur "Mutter der katholischen Kirchen" für die aufblühenden Städte Dansville, Wayland, Hammondsport und Cohocton. Viele Gläubige waren viele Stunden und viele Meilen unterwegs, um den Gottesdienst besuchen zu können. Da es aber nur eine einzige Kirche gab und viele Menschen den Gottesdienst nicht besuchen konnten, u.a. wegen der großen Entfernungen, reiste der Priester zu Fuß, auf dem Pferd oder mit einem Ochsengespann durch das Land, um seine Seelsorge auszuüben.

Die ältesten Siedler aus dem Raum St. Wendel

Die ältesten Unterlagen berichten von Familien "aus der Gegend von Trier in Deutschland", die den Kern der ersten katholischen Kirche außerhalb von Rochester, NY, bildeten. Einige von ihnen können wir näher bestimmen:

Michel Altmeyer und sein Bruder Anton Altmeyer, beide aus Alsfassen, und dessen Ehefrau Helene Gunther (Joe Reschs Vorfahren)

Nikolaus Engel aus Breiten

Die Brüder Johann und Jakob Fleck, der eine Taglöhner, der andere Schuhmacher und beide aus Alsweiler, mit Johanns Ehefrau Margarethe Gräber aus Alsfassen.

Johann Friedrich aus Urweiler
sein Schwiegervater war der bereits genannte John B. Froehlinger

Georg Gross senior aus Remmesweiler, Witwer von Margarethe Wilhelm (+ 1833), mit fünf Kindern

Johann und Franz Gunther aus St. Wendel, Söhne des Metzgers Johann Gunther, der sein Geschäft im heutigen Gasthaus „Zum Ochsen“ betrieb.

Franz Kirch und seine Ehefrau Katharina Rech aus Bliesen mit ihren vier Kindern

Nikolaus Malter aus Urweiler

Johann Monz aus St. Wendel, der seinem Vater Nikolaus folgte, der nach dem Tod seiner Ehefrau mit seinen beiden Töchtern 1836 nach Amerika ausgewandert war

Jacob Ritter aus Baltersweiler und seine Ehefrau Elisabetha Julius

Andreas und Peter Schario aus Urexweiler

Nikolaus und Katharina Schlick, deren Haus sich oben im Hospital befand.

Der Leinenweber Peter Schubmehl aus Breiten mit seiner Ehefrau Johanna Engel und ihren fünf Söhnen

Johann Franz Schue aus St. Wendel, Sohn des St. Wendeler Lehrers Johann Schue

Die protestantische Gemeinde wird gegründet

Unten im Tal war der Ort Perkinsville in der Zwischenzeit stark gewachsen. Am 10. November 1836 gründeten die "Väter der deutschen Familien" im Haus von Mr. Schwingel die protestantische Gemeinde „St. Peter’s“. Als Präsident wurde Jakob Wolfanger und als Geschäftsführer Adam Bayer gewählt.

Frauen durften damals noch nicht wählen, auch nicht in kirchlichen Belangen (letzteres wurde in den USA erst 1859 eingeführt; in Deutschland 1920).

Die erste registrierte Taufe war die von Elizabeth Gottschall im Mai 1833. Gottesdienst wurde im alten "Schulhaus" gefeiert, das heute noch an der Straße gegenüber der Kirche steht. Die "St. Peter's Church" wurde 1846 eingeweiht. 1858 stellte man mit Pfarrer Klein den ersten festangestellten Geistlichen ein; sein Gehalt betrug statliche 500 Dollar im Jahr. Die offizielle Kirchensprache blieb das Deutsche - bis zum Ersten Weltkrieg.

Die erste Kirche von Perkinsville

Nach dem sie einige sehr strenge Winter auf Sandy Hill verbracht hatten, gaben die meisten Bewohner auf und zogen ins Tal hinab. Der Bischof der Stadt Buffalo kaufte ein Stück Land von Nicholas und Elisabeth Morsch aus Perkinsville für 1 Dollar. Unter der Aufsicht von Reverend Schweiger erbauten Nicholas Morsch und Jakob Schmitt die erste katholische Kirche in Perkinsville, die den Namen "The Church of the Annunciation of the Blessed Virgin Mary" (Kirche der Ankündigung der gnadenreichen Jungfrau Maria) erhielt.

Peter Engel und Barbara Marck aus Alsfassen

Zu den Familien, die am längsten auf Sandy Hill aushielten, zählten Peter Engel und Barbara Marck aus Alsfassen. Barbara war im Alter von 20 Jahren von Le Havre aus auf einem Segelschiff aufgebrochen, das nach dreimonatiger Seereise im Spätapril 1846 bei sehr schlechtem Wetter beinahe Schiffbruch erlitt und mit völlig erschöpften Nahrungsmittelvorräten mit knapper Not New York erreichte. Sie reiste nach Dansville, NY, wo sie für einige Zeit bei Stephen Rauber unterkam, bis ein Jahr später ihre Eltern nach Amerika nachkamen. Sie kauften einige Hektar Land auf Sandy Hill. Barbara engagierte sich in der katholischen Gemeinde von Perkinsville und am Bau der ersten Kirche. Am 1. Januar 1850 heiratete sie den ebenfalls aus Alsfassen stammenden Peter Engel, der auf einer nahegelegenen Farm arbeitete. Ein Jahr später kauften sie 50 Hektar Waldland auf Sandy Hill. Wie viele Frauen ihrer Zeit verrichtete Barbara harte Männerarbeit. Sie half bei der Rodung des Waldes und packte beim Bau ihrer Blockhütte mit an. Das Ehepaar kaufte sich ein paar Ochsen und bestellte das Land. Das Holz verkauften sie in Dansville oder tauschten es gegen Lebensnotwendiges ein. Sie verbrachten 17 Jahre auf Sandy Hill. 1868 verkauften sie ihre Farm an Jakob Lander und kauften 200 Hektar Land etwa acht Meilen nordöstlich von Wayland, wo sie sich eine neue Farm aufbauten. 1882 waren sie am Bau der St. Josephs Kirche von Wayland beteiligt. Während eines Besuchs ihrer Tochter Elisabeth in Wayland wurde Barbara ernsthaft krank und starb am 31. März 1913. Ihr Ehemann Peter starb drei Jahre im Alter von 98 Jahren.

Wo das Steinkreuz auf Sandy Hill herkommt

Obwohl die alte Kirche oben auf dem Sandy Hill aufgegeben worden war, wurde der alte Friedhof noch ein paar Jahre weiter benutzt. 1854 kaufte die Gemeinde unten im Ort ein Grundstück nahe der Kirche und legte einen katholischen Friedhof an. Die erste Bestattung erfolgte im gleichen Jahr. Einige Tote wurden von Sandy Hill in den neuen Friedhof umgebettet. Die meisten blieben auf dem einsamen, verödeten Friedhof auf dem Hügel zurück. Heute erinnert an den Ort nur noch ein massives, 4 Meter hohes Steinkreuz, das 1949 von Frederick Morsch errichtet wurde. Morsch erfüllte damit ein Versprechen, das er als kleiner Junge seiner Mutter gegeben hatte.

Perkinsville - eine aufstrebende Gemeinde

In den 1850ern war in Perkinsville richtig was los. Es gab zwei Müller; zwei Kirchen und  zwei Schulen, zwei Sägewerke; zwei Kutschbetriebe; zwei Kolonialwarenläden und sogar ein Schuhgeschäft.

Und es ging weiter aufwärts. 1873 war Perkinsville eine Gemeinde, in der man alles bekam und die sich praktisch selbst versorgte. Hotels, Brauereien, Hufschmiede, ein Schuhgeschäft, ein Postgebäude und sogar eine Gerberei. Es gab einen Arzt und sogar einen Chirurgen. Eine Hufschmiede, in der auch Kutschen gebaut und repariert wurden, betrieb ein Mann namens William H. Bill, dessen Eltern aus Niederlinxweiler stammten. Michael Entler nannte sich "Hersteller und Verkäufer von Stiefeln und Schuhen aller Art; alle Aufträge werden sofort ausgeführt". Unten am Bach gab es die Sägemühle, die von Georg Gross betrieben wurde.

Stephen Bricks bezeichnete sich in seinen Werbeanzeigen als "Händler von modernen Textilien der wichtigsten Hersteller, Hüte und Mützen, Stiefel und Schuhe, Lebensmittel, Werkzeuge“. Bricks, der in Alsweiler als „Stefan Brück“ geboren und mit Katharina Malter aus Urweiler verheiratet war, gab den dringenden Rat „schauen Sie vorbei und prüfen Sie alles, bevor Sie irgendwo anders einkaufen".

Unten am Bach stand die Brauerei, wo Jakob Wahl & Sohn aus Schifferstadt Lager-Bier brauten. Die Hefe war kurz zuvor in Deutschland erfunden worden und verbesserte den Geschmack so erheblich, daß Bier zum ersten Mal in der Geschichte ein wirtschaftlicher Erfolg beschieden war. Davor war das Bierbrauen immer nur Privatsache gewesen.

Und wenn wir schon von Bier sprechen, dann lassen Sie uns gerade die Straße überqueren und die Brauerei von Nicholas Didas & Co. besuchen. Das Bier, das der Auswanderer aus Tholey braute, schmeckte nicht nur den Leuten vor Ort, es gewann den 1. Preis der großen Chicago Weltausstellung von 1890. Zehn Jahre später mußte das Brauereigebäude der neuen Eisenbahn weichen, aber heute noch wächst dort in den Ruinen wild der Hopfen, Zeuge vergangener Tage.

Nicholas Bruder Peter Didas betrieb das "Perkinsville Hotel". John Ritz führte ein Schuhgeschäft. Peter Gessners Kneipe wurde später in "Steuben Hotel" umbenannt. Eine andere Taverne wurde von den Federkeils betrieben, in dem Haus, in dem heute George Huber wohnt. Der 1873er Atlas nennt Peter Conrad als weiteren Kneipenbesitzer, Urban Didas als Schreiner, Nicholas Malter als Viehtreiber und Metzger. C.J. Weirmiller, Conrad Bill, John Jacob Schwingle, Jacob Hoffman, Philip Conrad, Jacob Wolfanger and Charles Mehlenbacher betrieben ihre Bauernhöfe, die man in Amerika "Farmen" nennt, im Umkreis um die Stadt.


Die zweite Kirche von Perkinsville

Da die Gemeinde schnell wuchs, war die katholische Kirche bald zu klein geworden. So wurde der Plan gefaßt, eine neue zu errichten.

Der Pfarrer, unter dem die ersten Pläne ausgearbeitet wurden, hieß Johannes Soemer und stammte aus Westfalen. Er warb dafür, Steine als Baumaterial zu verwenden, aber das fand bei den Farmern keine Unterstützung. Vermutlich weil es Holz in der Umgebung in Hülle und Fülle gab, Steine dagegen mühsam herbeigeschafft werden mußten. Unter Soemer wurden 1881 die Gräben für die Grundmauern ausgehoben, und er besorgte die Steine für das Fundament.

Im Sommer 1881 kam ein neuer Pfarrer nach Perkinsville, Vincent Scheffels aus einem kleinen Ort im Bistum Münster.

Father Scheffels war der rechte Mann am rechten Platz, er machte Perkinsville zu einer deutschen Gemeinde, wie es wenige gab. Er war Baumeister und Seelsorger zugleich. Und seine Gemeinde dankte es ihm, sammelte Geld sammelte und stellte Baustoffe unter Preis zur Verfügung - gar nicht zu reden vom Bauholz, das sie ganz und gar schenkte, und Hand - und Spanndienste, die alle unentgeltlich versahen.

Während des Bauzeit ließ die Ausübung der Seelsorge nie etwas zu wünschen übrig. Noch lange erzählten Johann Recktenwald und sein protestantischer Kollege Jacob Hofmann, die unter lebensgefährlichen Bedingungen am 50 Meter hohen Kirchturm arbeiteten, daß Pfarrer Scheffels sie mit Gebeten unterstützte, so dass zumindest bei ihnen nicht das geringste Unglück vorkam.

Dennoch kamen Unglücke vor. Während der Ausschachtungsarbeiten für die Kirche wurde gesprengt. Die die Ladung saß, die Lunte brannte, als man bemerkte, daß sich noch Arbeiter im Gefahrenbereich befanden. Der Warnruf kam zu spät, das Dynamit explodierte, und der 35-jährige Nikolaus Bricks, Sohn von Stefan Brück aus Alsweiler, verlor ein Auge.

Am 6. Mai 1884 weihte Bischof Ryan aus Rochester die neue Kirche unter dem Namen "Church of the Sacred Heart of Jesus", das heißt auf Deutsch „Heilig-Herz-Jesu-Kirche“. Sie steht heute noch in Perkinsville.

Menschen eines besonderen Schlags

Während die Herz-Jesu-Kirche im Bau war, wurde die erste Kirche oben am Sandyhill abgerissen und das noch brauchbare Holz für die neue Kirche unten im Tal verwendet. Der wirkliche Grund für den Abriß war, daß manche Bauern die verlassene Kirche als Schafstall benutzten. Um eine Siedlung wie die auf dem Sandyhill zu errichten und zu betreiben, braucht es Menschen eines besonderen Schlags. Man braucht Menschen, die sehen, wo es fehlt, und entsprechend anpacken können. Dabei kann es mitunter auch schon mal etwas rauh zugehen:

Einen festen Pfarrer gab es oben auf dem Hügel nie. Der Gottesdienst wurde stets durch einen Pater aus der Pfarrei St. Joseph in Rochester, der extra für ein paar Wochen aus Rochester anreiste. Seine Anreise dauerte eine gute Woche.

Als Father Beraneck an der Reihe war und 1844 oben auf dem Sandyhill ankam, war die Kirchentür zu, und der zuständige Bauer rückte die Kirchenschlüssel nicht heraus. Er sagte zum Pater: „Wenn ein Handwerker zu uns zur Arbeit kommt, erwarten wir, dass er sein Werkzeug mitbringt, und das Gleiche erwarten wir auch von Ihnen. Und da Pater Beraneck weder Kelch noch Meßgewand mitgebracht hatte - es war ja alles in der Kirche vorhanden - trat er die beschwerliche Reise zurück nach Rochester unverrichteter Dinge an. Zur Strafe kam dann längere Zeit kein Pater mehr, bis die Leute auf dem Hügel Willens waren, ihre Kirchenparamente wieder zur Verfügung zu stellen.

Father Huber  kommt nach Perkinsville

Am 14. Januar 1893 trat ein junger Priester den Dienst in "Sacred Heart" an. Sein Name war Alois L. Huber aus Zeilarn im Bistum Passau.

Unter Father Huber wurde ein neues Pfarrhaus gebaut. Und unter ihm kam die Pfarrei wieder zurück in das Bistum von Rochester.

Unter Father Hubers Schäfchen befanden sich viele Deutsche, die niemals eingebürgert und damit staatenlos waren. Denn mit dem Verlassen Preussens wurden sie automatisch ausgebürgert. Die USA verlangte nicht von ihnen, sich einbürgern zu lassen, und viele taten es auch nicht. Ihre Kinder wurden Amerikaner per Geburt. Und wie die Protestanten in ihrer Gemeinde Deutsch sprachen, hielten es auch die Katholiken.

Reverend Edward John Eschrich, dessen Vorfahren im 19. Jahrhundert u.a. den Notar von St. Wendel stellten, erinnerte sich in einem Interview daran, daß er in seiner Kindheit in den 1890ers oft in Perkinsville war, wo die Jungen zwar Baseball spielten, aber dabei Deutsch sprachen. Alles lief dort in Deutsch: die Geschäfte, das kirchliche Leben, einfach alles. Perkinsville war "ein Stück Deutschland".

Deshalb wurde unter den Menschen der Wunsch immer größer, ein Stück der alten Heimat in die neue Heimat nach Amerika bringen zu lassen. Die meisten stammten aus St. Wendel und seiner näheren Umgebung. Und so traten kurz nach Hubers Amtsantritt Mitglieder seiner Pfarrei mit einer ganz besonderen Bitte an ihn heran. Huber konnte ihren Wunsch gut nachvollziehen.

Der heilige Wendalinus reist nach Amerika

1898 veröffentlichte er einen Artikel in der Zeitung:

„Die katholische Gemeinde von Perkinsville, N. Y., beging am 24. Oktober letzten Jahres eine seltene Feierlichkeit: die Beisetzung einer echten Reliquie des heiligen Wendelinus. Als nämlich vor einem Jahr der Sarg dieses Heiligen in der alten Heimat in St. Wendel geöffnet und zur Verehrung ausgestellt wurde, erwachte bei den hiesigen Landsleuten Heimweh nach ihrem alten Wallfahrtsorte, und sie richteten ein Bittgesuch an den Oberhirten der Diözese Trier um eine Reliquie von dem heiligen Wendelinus.

Bischof Korum aus Trier entsprach gern der Bitte, und so brachte Pfarrer Joseph Hummel von Gardensville nahe bei Buffalo, N.Y., bei seiner Rückkehr aus Deutschland die Reliquie mit. Obigen Datums wurde selbe Reliquie unter großem Andrang der Katholiken aus der Umgebung und im Beisein aller Nachbarspriester beigesetzt. Vater Huber hielt eine Anrede über das Leben und die Wunder des Heiligen: St. Wendelinus war ein Hirte, nachdem er auf die Königskrone in Schottland verzichtet hatte; später wurde er Benediktiner von Tholey und sodann der Abt dieses ehrwürdigen Klosters, wo er 617 starb.

Es gibt Leute, besonders in Amerika, welche über Reliquienverehrung spotten, aber Gott straft solche Spötter oft mit einem plötzlichen Tod.   A.L.H.

Der Reliquie zu Ehren und dem Heiligen, von dem das Fragment stammte, zum Gedenken gründeten die Männer der Pfarrei den „St. Wendelinus Maenner Verein in Perkinsville, N.Y.“, der 1902 an der Parade in Dansville teilnahm.

Father Huber starb nicht lange danach in Perkinsville und wurde am 2. Januar 1907 auf dem katholischen Friedhof von „Sacred Heart“ begraben. Und da in Amerika Gräber nicht entfernt werden dürfen, ruht er dort noch heute.

Nicht weit entfernt vom heiligen Wendalinus.

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