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St. Wendelin -> Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet …

Und zwischen Trug und Wahrheit schwebet …

 

Friedrich Schiller hat diese Zeile sicherlich in anderem Zusammenhang erdacht, doch paßt er in abgemilderter Form gut auf die Anfänge unserer Stadt. Denn dort ist es schwer, zwischen Vermutungen und Wahrheit zu unterscheiden, vor allem, weil letztere unbekannt ist.

 

Unsere altehrwürdigen Stadthistoriker Max Müller, Julius Bettingen und Nikolaus Obertreis führen in ihren Büchern aus, daß der Ort St. Wendel auf eine Siedlung namens Bosenweiler zurückgeht, deren Name aus einer alten Urkunde stammt, wo er „Basona villar“ genannt wird. Über Ortsnamen, die auf „weiler“ enden, gibt es umfangreiche Untersuchungen und sogar eine saarländische Doktorarbeit von Martina Pitz, woraus ersichtlich wird, daß diese Orte auf ganz kleine Siedlungen zurückgehen, quasi „3 Häuser und 1 Hund“, die in der zweiten Hälfte des 1. Jahrtausends nach Christus entstanden sind. Der Name wird meistens aus einem Eigennamen und dem Zusatz „weiler“ gebildet (meistens, d.h. nicht immer: sicherlich bei Baltersweiler und Remmesweiler, definitiv nicht bei Urweiler, das kommt von „Oberweiler“). Demnach wird ein Grundeigentümer namens „Baso“ angenommen, der dem Ort den Namen gab. Dafür sprechen die verbleibenden Namen „Bosenberg“ und „Bosenbach“.

 

Das Problem ist diese „Urkunde“, in der „basonis vilare“ zum ersten Mal genannt wird. Das ist nämlich keine Urkunde, kein einzelnes Dokument, sondernn ein sog. Heiligenkalender. In diesem werden Tag für Tag alle Heiligen mit ihrem Todestag aufgelistet, der der Lehre nach ihr Geburtstag im Himmel ist. Dieser spezielle Kalender wurde vermutlich im 11. Jahrhundert im oder für das Kloster St. Gallen angefertigt, landete aber im Laufe der Zeit im belgischen Kloster Stablo, weshalb er seinen Namen trägt „Kalendarium des Klosters Stablo“. Im Kalender steht am 21.Oktober der Eintrag „In Basona villari, S. VValdeni confessoris“. Auf Deutsch: In Bosenweiler (wird verehrt) der Bekenner St. Waldenus.

 

In St. Wendel wird der hl. Wendelin verehrt, die Stadt trägt seinen Namen. Aber seit wann? Nun, die älteste Urkunde, mit der sich die Reliquie des hl. Wendelin in St. Wendel nachweisen läßt, ist ein Ablaßbrief aus dem Jahre 1318: „Wir machen bekannt, daß wir die Verdienste des heiligen Wandelinus demütig schätzen zu seiner Ehre“. Die Verehrung hat eine ältere Quelle: Die beiden Priester „Lambertus et Cono presbiteri de S. Wendelino“ werden im Jahre 1180 genannt.

 

Der Wendalinus-Experte Alois Selzer schließt daraus: „Wir erfahren daraus, daß bereits im XI. Jahrhundert der Bekenner ‚Waldenus’ (das ist der hl. Wendelinus), begraben in Basona villare, im Kloster Stablo bekannt und auch verehrt war.“

 

Das sind gleich zwei Annahmen:

1. daß „Waldenus“ = Wendelin

2. daß der genannte Heilige in in Basona villare begraben wurde. Eigentlich steht in einem Heiligenkalender, wann der betreffende Heilige gestorben ist - mit der Ortsbezeichnung auch „wo“. Aber zwangsläufig?

 

Wo das hinführt, ist klar: die Reliquie des hl. Wendelin liegt heute in St. Wendel begraben, der Ort heißt auch seit mindestens 1180 so, also ist Basona Villare identisch mit St. Wendel. Selzer versucht in seinem Buch „St. Wendelin - Leben und Verehrung eines alemannisch-fränkischen Volksheiligen“ auf den Seiten 52 bis 61 zu beweisen, daß St. Wendel vorher „Basona villare“ hieß, bis es den Namen St. Wendel angenommen hat. Aber am Schluß gibt er selbst zu, daß es ihm nicht gelingt, weil ihm das urkundliche Material für diesen Beweis fehlt.

 

Es fehlt bis heute. Wir wissen nicht, ob „Basona Villare“ wirklich St. Wendel ist.

 

Roland Geiger

Historische Forschungen · Roland Geiger · Alsfassener Straße 17 · 66606 St. Wendel · Telefon: 0 68 51 / 31 66
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